Beatrice Moumdjian
Ausgehend von meiner Bindung an den eurasischen Kontinent, West Asien – der so genannte “Orient” – befasse ich mich inhaltlich mit kulturellen Kontinuitäten und ihren Brüchen, und nehme dabei Anleihen bei bürokratischen, archäologischen, kriminologischen und rekonstruktiven Methoden. Indigene und transformierte Traditionen, Rituale, Naturen, Technologie, Architekturen, Popkultur, Volkskunst und Massenkultur zerlegen und formieren sich in meiner Vorstellung zu verdichteten Spielzeugwelten. Meine Praxis ist intersektional; sie ist geprägt einerseits von eigenen komplexen Erfahrungen der Rassifizierung und Marginalisierung, chronischen Folgeerkrankungen, sowie auch von den Erfahrungen mit systemischer Gewalt in verschiedenen politischen Systemen, die durch meine Familiengeschichte über Generationen hinweg weitergegeben wurden und die, da sie unaufgelöst sind, politisch brisant bleiben.
Forensic Excavations Inventory or The Total Deconstruction of an Armenian Family
Mein Leben wird von anderen manchmal als “true crime” beschrieben. Diese Arbeit erzählt eine Autobiographie die vor meiner Geburt beginnt, mit der Flucht meiner Familie 1917 aus dem Osmanischen Reich. Dafür habe ich den mir verbliebenen Teil meines Familienfotoarchivs auseinander genommen, etwa 150 Fotos, die Westasien, den Balkan, Ostdeutschland und das wiedervereinigte Berlin der 1990er Jahre miteinander verbinden.
Aus den Fotos habe ich Tausende von Objekten und Körperteile die zu mir oder Familienmitgliedern gehören, gescannt und ausgeschnitten. Zu jedem Objekt schreibe ich etwas auf, an das ich mich erinnere, oder Information über seinen Ursprung oder Bedeutung. Anschließend vergrößere ich die Objekte, drucke und kaschiere sie, schneide sie mit einem Skalpell aus dem Material aus, und fotografiere sie erneut. Seit 2017 inszeniere ich die Objekte in privaten und öffentlichen Räumen und verbinde sie mit historischen Fotos, und Onlinearchiven wo ich meine Verwandten gefunden habe. Die aus ihrem ursprünglichen privaten Kontext herausgelösten Objekte verlieren ihre repräsentative Funktion und verwandeln sich in Beweisdokumente für das persönliche Alltags-Erleben von Sozialismus, Migration, Flucht, Traditionen, Rassismus, Familiengeheimnisse, Misshandlung, Völkermord, Konsumkultur, falsche Identitäten. Das einstmals vollständige Familienbild bricht auseinander und eröffnet eine Zwischenebene, in der ich mich ausdrücken kann.